Claire Rüttimann-Nideröst

Kinderschwester

 

Teil 1/3

Zur Person

Claire Rüttimann-Nideröst ist 1934 geboren und in Zug aufgewachsen. Nach dem Handelsdiplom an der Kantonsschule lässt sie sich in der Westschweiz zur Nurse (Kinderschwester) ausbilden. Am ehemaligen Bürgerspital Zug ist sie einige Jahre auf der Wöchnerinnen-Abteilung und später in der Medizin pflegerisch tätig. Der damalige Assistenzarzt Josef Rüttimann wird ihr Ehemann. Sie unterstützt ihn beim Aufbau einer eigenen Arztpraxis an der Poststrasse. 1960 zieht die junge Familie an den Rothusweg, in eines der ersten Terrassenhäuser der Schweiz, ein damals Aufsehen erregender Bau der Architekten Fritz Stucky und Rudolf Meuli. Claire Rüttimann-Rüttimann ist Mutter von drei Kindern und geniesst ihren Ruhestand in der Grafenau in Zug.




Inhalt Teil 1/3

Clare Rüttimann-Nideröst erzählt von ihrer Kindheit in einem Haus am Zugersee, in der Nähe der Mosterei Wyss. Die Primarschulzeit erlebt sie zuerst im lebhaften Schulhaus Neustadt mit Mädchen- und Knabenklassen, später in der reinen Mädchenschule Maria Opferung mit strengen Klosterfrauen. Für die Sekundarschule kommt sie zurück ins Neustadt.
Da eine Ausbildung als Kinderschwester erst ab 18 Jahren möglich ist, absolviert Claire Rüttimann-Nideröst die Handelsabteilung an der Kantonsschule. Dank guten Französischkenntnissen entscheidet sie sich danach für die Ecole de Nurse in Bertigny (FR) (6:43).


Die erste Anstellung nach dem Diplom findet sie nicht wie geplant bei einer reichen Familie im Ausland, sondern im Bürgerspital Zug unter Chefarzt Dr. Hubert Mäder. In der Pflege sind zu dieser Zeit vor allem Ordensschwestern tätig.

Claire Rüttimann-Nideröst schildert die Praxis in der Säuglingspflege Ende der fünfziger Jahre (9:25): Rund zehn Tage bleibt eine Frau nach der Niederkunft in der Regel im Spital. Die Neugeborenen werden rundum im Kinderzimmer gepflegt und der Mutter nur zum Stillen gebracht. Der Vater nimmt das Baby meist gar nie in die Arme. Ihm und anderen Familienangehörigen wird das Kind nur durch eine Scheibe gezeigt. Da bis zu zwölf Säuglinge betreut werden, gilt es Verwechslungen zu vermeiden. Der Tagesablauf ist klar strukturiert, die Kinder werden von der Aussenwelt fast vollständig abgeschirmt.

Im Laufe der Zeit erlebt die Kinderschwester auch das Geschehen im Geburtszimmer und bei Kaiserschnitt-Operationen mit (14:13). Sie lernt andere Abteilungen des Bürgerspitals kennen und erlebt die Differenzen zwischen den Schwester-Orden. Die unverheirateten Assistenzärzte verstehen zwar wenig von Säuglingspflege, interessieren sich aber brennend für das Kinderzimmer. Unter ihnen lernt Claire Rüttimann-Nideröst ihren späteren Ehemann kennen.




Inhalt Teil 2/3

Nach der Heirat wächst beim Ehepaar Rüttimann der Wunsch nach einer selbstständigen Tätigkeit. In einem Neubau an der Poststrasse finden sich die Räumlichkeiten für eine eigene Arztpraxis. Josef Rüttimann kann sich als Spezialarzt dank seiner Bekanntheit aus dem Bürgerspital rasch etablieren. Die anfänglichen wirtschaftlichen Bedenken sind unbegründet. Claire Rüttimann-Nideröst muss in der Praxis jedoch anfänglich tatkräftig mithelfen.


Nach der Geburt des dritten Kindes wird eine grösser Wohnung notwendig (5:02). Dank Vermittlung eines Patienten kann das junge Paar in den obersten Stock der neuen Terrassenhäuser am Rothusweg ziehen. Die Lage am Hang erfordert wenig Bauland, die Bewohnerinnen und Bewohnern fühlen sich trotzdem fast wie in einem Einfamilienhauses.

Nicht nur Claire Rüttimann-Nideröst fasziniert die neuartige, raffinierte Architektur (8:08). Von weit her kommen Architekturinteressierte mit Cars, um die Terrassenhäuser zu besichtigen. Speziell beachtet werden die grossen Schiebefenster und die schrägen Balkone mit ihrer Bepflanzung. Die vielen Schaulustigen bringen zwar Unruhe in den Haushalt, machen aber auch ein bisschen stolz. Und zum Wohnen sind die sieben grossen Zimmer mit Garten für die Familie Rüttimann grossartig (14.30). Bis zum Bau des Neustadt-Centers kann sie zudem die einzigartige Aussicht auf See und Berge geniessen.

Auch nach dem Tod ihres Ehemannes bleibt Claire Rüttimann-Nideröst am Rothusweg (17:07). Hier hat sie genügend Platz für Kinder, Grosskinder und ihren Freundeskreis. Erst als der steile Zugang und und die Treppen zu anstrengend werden, entscheidet sie sich für eine neue Wohnung in der Grafenau (19:09). Der Komfort, die grüne Umgebung, die Nähe zu Bahnhof und Einkaufsmöglichkeiten haben sie überzeugt. Hier fühlt sie sich glücklich.




Inhalt Teil 3/3

Das Bürgerspital erlebt Claire Rüttimann-Nideröst als Kinderschwester wie ein Stück Heimat, mit typischem Geruch und lärmiger Geräuschkulisse. Einsätze ausserhalb der Wöchnerinnen-Abteilung etwa in der Kinderkrankenpflege bedeuten vermehrt Nachtdienst. Später lernt Claire Rüttimann-Nideröst die Arbeit im Labor und im Röntgen kennen. Als Vertreterin der Chefarzt-Sekretärin kann sie Operationsberichte mit der Schreibmaschine tippen und verdient damit auch nach der Hochzeit etwas dazu (4:00).


Unter den Krankenschwestern der verschiedenen Abteilungen des Bürgerspitals gibt es klare Hierarchien. Vor allem die Klosterfrauen im Operationssaal fühlen überlegen (6:13).
Besonders wichtig auf der Wöchnerinnen-Abteilung sind damals die Hebammen (7:42). Dazu gehört die bekannte Hebamme Röllin, die unzählige Zuger Kinder auf die Welt gebracht hat. Mit der steigenden Zahl von Geburten, immer häufiger auch im Spital, werden zusätzliche Hebammen eingestellt. Die Wöchnerinnen-Schwestern arbeiten mit ihnen eng zusammen. Bei den Privatpatientinnen legt Dr. Mäder Wert darauf, rechtzeitig herbeigerufen zu werden. Claire Rüttimann-Nideröst hat bei der Geburt ihres dritten Kindes allerdings keine Lust, auf den Chefarzt zu warten.

Die Väter sind bei der Geburt ihrer Kindes bis in die sechziger Jahre in der Regel nicht dabei, denn – anders als heute – sind sie darauf nicht vorbereitet (12:55). Nicht selten wird ein werdender Vater während den Wehen seiner Frau ohnmächtig. Claire Rüttimann-Nideröst wird von ihrem Mann als Arzt dagegen bei ihren Geburten unterstützt.

Als junge, unabhängige Kinderschwester pflegt Claire Rüttimann-Nideröst einen lockeren und persönlichen Umgang mit den Säuglingen und den Müttern. Von den ordinierten Schwestern wird dies nicht immer gern gesehen (14:02).

Bei Frühgeburten sind Brutkästen zu Beginn des Berufslebens von Claire Rüttimann-Nideröst noch nicht im Einsatz (15:40). Die untergewichtigen Kindchen werden mit Heizkissen und Bettflaschen warmgehalten, die von der Mutterbrust abgepumpte Milch mit einer Pipette eingetröpfelt. Ein kleines Wunder, wenn eine Frühgeburt durchgebracht wird.



Aufnahmedatum: 30. Juni 2015
Aufnahmeort: Zug
Redaktion und Interview: Beat Holdener
Kamera, Ton und Postproduktion: Remo Hegglin


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