Teil 1/3
Zur Person
Monika Dommann (geboren am 30. Mai 1966 in Zug) wächst in Walchwil auf, fährt mit dem Töffli zum Unterricht ins Gymnasium in Immensee, besucht als Jugendliche Veranstaltungen in der besetzten Kaserne in Zug und zieht 1987 fürs Geschichtsstudium nach Zürich. Bekanntheit erlangt sie 2023 durch die Veröffentlichung des Pilotprojekts zur Geschichte des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts.
Dieser Beitrag wurde finanziell unterstützt durch: Stiftung Doku-Zug
Monika Dommann wird im Liebfrauenhof in Zug geboren und in Walchwil gross. Noch vor ihrer Geburt ziehen die Eltern nach Walchwil, wo ihr Vater als erster Sekundarlehrer die Stelle antritt und die Sekundarschule aufbaut. Im kleinen Dorf kennt man sich. Es gibt das Dorf und den Berg; im Dorf leben die Handwerker, also Lehrer und Leute, die auswärts arbeiten gehen; am Berg leben die Bauern. Dommanns, eine klassische Kleinfamilie mit drei Kindern, sind Zugezogene und in einem Wohnblock im Wihelquartier am Mühlibach zu Hause. Die Gotthard-Eisenbahnlinie führt am Haus vorbei und weckt bei Monika Dommann schon als Kind die Faszination für die Verbindung zwischen kleinem Dorf und grosser Welt (03:05).
Bereits in ihrer Kindheit wird in Walchwil viel gebaut. Sie erlebt, wie sich eine ihr aus Kindheitstagen bekannte Welt in kurzer Zeit verändert. Heute, rund 50 Jahre später, erkennt sie den Ort bei Spaziergängen kaum wieder (03:55). Als Kind lernt sie, wer Geld und wer im Dorf das Sagen hat. Auch diese Erfahrung macht sie zu einem geschichtlich interessierten und politischen Menschen (05:14). Schon damals gibt es in Walchwil Zugezogene von nah und fern. Und der Ort ist bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren sehr durchmischt: «Wir waren keine Hinterwäldler. Wir hatten die Welt bei uns im Dorf», sagt sie (05:46).
Als Tochter eines Lehrers steht sie unter Beobachtung. Mit 13 ergibt sich für sie eine «Fluchtmöglichkeit»: Sie geht ans Gymnasium in Immensee (06:56). Mit einem Cilo-Töffli fährt sie täglich, am Zugersee entlang, zur Schule. Dort findet sie Freunde fürs Leben. Immensee öffnet ihr das Tor nach Luzern; der Sedel und die örtlichen Kinos prägen sie stark (09:06). In dieser Zeit entdeckt sie die Bibliothek in Zug. Bücher erschliessen ihr neue Welten (10:16). In Zug geht sie ins Kino Gotthard und ins Kino Seehof, wo Studiofilme gezeigt werden (12:09). Zusammen mit einer Schulfreundin entdeckt sie die Frauenbewegung. Am 8. März nimmt sie mehrmals an der autonomen Frauendemo teil. Weil sich diese für ein Recht auf Abtreibung starkmacht, provoziert sie die Patres am Gymnasium Immensee (13:42). 1986 folgt ein Sprachaufenthalt im spanischen Salamanca, zu einer Zeit – nach Franco – als die katholische Jugend dort im Aufbruch ist (15:34). Als sie ein Jahr später in Zürich ihr Geschichtsstudium beginnt, rückt Zug für sie komplett in den Hintergrund (16:02).
Monika Dommanns Eltern sind sehr religiös. Ihr Vater interessiert sich für Theologie und die Bibel, lebt aber einen Reform-Katholizismus. Als sie gefirmt wird, kann sie nicht mehr viel mit Religion anfangen (16:36). Die Familie besucht oft die Messe in der Kirche St. Johannes in Walchwil, zu der sich das ganze Dorf versammelt. Ihre Patin, die jüngste Schwester ihrer Mutter, ist Klosterfrau in einem Dominikanerorden in Ilanz. Bis 10, 12 ist Monika Dommann mit Inbrunst religiös (17:31). Die Lektüre von Sartre und Beauvoir lassen sie jedoch über Existenzialismus nachdenken – auch während der Gottesdienste (18:22). Ihre Eltern besuchen gern auch die Bruder-Klaus-Kirche in Oberwil bei Zug. Als Mädchen erlebt sie, wie Ferdinand Gehrs Wandmalerei in diesem Sakralbau mit Vorhängen verhüllt sind. Erst während des Studiums erfährt sie den Grund: weil die Bevölkerung dagegen war (18:43).
Ihren ersten Ferienjob tritt sie bei Landis & Gyr an: Vier Wochen lang lötet sie in der Zählerproduktion Teile zusammen (20:15). Später jobbt sie im Nordmann [heute Manor], mit 16 im Gastgewerbe – zuerst am Buffet, dann als Kellnerin im Theater Casino Zug (21:15). Bei Einsätzen an Bankettanlässen lernt sie die (vorher für sie unbekannte) Zuger Gesellschaft kennen: Zünfte, den Crystal Club und Marc Rich (21:50). Am Tag der Vertragsunterzeichnung zwischen Andreas Brunner und Stephan Schmidheiny [am 7. Dezember 1987], die den Verkauf der Landis & Gyr besiegelt, arbeitet sie als Kellnerin. Sie ist stolz, bei einem derart historischen Ereignis dabei zu sein und sieht den von Krankheit gezeichneten Andreas Brunner eine Bouillon essen (22:10). Zug kennt sie noch als Industriestandort mit Fabrikarbeit. Den Übergang zur «Dienstleistungs- und Finanzkapitalismusstadt» erlebt sie unmittelbar und das Nachdenken über diese Transformation beschäftigt sie, seit sie 14 ist (23:06).
Durch ihre Tätigkeit als Kellnerin kann sie in eine neue Rolle schlüpfen. Sie beobachtet «die alte Elite von Zug», aber auch die Neuzuzüger, die üppige Feste feiern (23:34). Sie erinnert sich an Veranstaltungen der Doron Stiftung und ist fasziniert, dem Stiftungsgründer Marc Rich und dessen Umfeld zu begegnen. Aber auch, zu sehen, wie Marc Rich sich mitten in die Zuger Gesellschaft hineinbegibt, sie sieht «wie er Zug gekauft hat» (24:40). Obwohl sie auch während des Studiums weiterhin im Theater Casino Zug arbeitet, ist für sie klar: «Weg von hier [Zug] – und zwar möglichst schnell!» (25:19)
Monika Dommann hört, dass die ehemalige Kaserne [heute: Bibliothek Zug] besetzt wurde. Sie fühlt sich angezogen von diesem ersten ihr bekannten autonomen Ort und besucht dort Konzerte (25:40). Sie sieht Leute, die Drogen konsumieren und abstürzen (26:50). Zur gleichen Zeit besucht sie auch Konzerte im Sedel und fährt dafür eine Stunde mit dem Töffli nach Luzern. Ihre Erkenntnis aus dieser Zeit: «Man kann etwas anders machen, aber man muss das Heft selbst in die Hand nehmen. Man muss nicht den Traditionen folgen, die vorgegeben sind. Es ist viel mehr möglich.» (27:12) Rückblickend betrachtet sie diese Zeit aber als sehr düster. Der Kalte Krieg löst bei den Menschen Ängste aus. Einige Personen aus ihrem Umfeld sterben an übermässigem Drogenkonsum. «Die 80er-Jahren waren hart und hatten ihren Preis», sagt sie (28:06).
Sie erinnert sich an Sprayereien in Zug: «De Heggli isch es Weggli» [in Bezug auf Walther A. Hegglin, Stadtpräsident 1978-1982] (30:55). Auch in der Innerschweiz gibt es einen autonomen Aufbruch, nicht nur in Zürich. Die dezentrale Bewegung findet mitunter in Basel, Freiburg, Bern und Luzern statt – und eben auch ein wenig in Zug. Monika Dommann möchte an dieses andere Zug erinnern, nicht nur an Zug als Zentrum der Anwaltskanzleien, der Rohstofffirmen und des Finanzkapitalismus (31:08).
Wenn Monika Dommann heute Zug besucht, geht sie über den Walchwilerberg und zeigt ihren Freunden aus der ganzen Welt die Schönheit dieser Region. Sie erzählt diesen dann aber auch, dass die Gegend sich sehr schnell verändert hat und in der Welt heute eine wichtige Rolle spielt – was viele Schattenseiten hat. Das habe bei ihr dazu geführt, dass sie die Welt sehr kritisch betrachte. Sie betrachtet es als ihre Lebensaufgabe, diese besser zu verstehen (31:56).
Bereits in ihrer Kindheit wird in Walchwil viel gebaut. Sie erlebt, wie sich eine ihr aus Kindheitstagen bekannte Welt in kurzer Zeit verändert. Heute, rund 50 Jahre später, erkennt sie den Ort bei Spaziergängen kaum wieder (03:55). Als Kind lernt sie, wer Geld und wer im Dorf das Sagen hat. Auch diese Erfahrung macht sie zu einem geschichtlich interessierten und politischen Menschen (05:14). Schon damals gibt es in Walchwil Zugezogene von nah und fern. Und der Ort ist bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren sehr durchmischt: «Wir waren keine Hinterwäldler. Wir hatten die Welt bei uns im Dorf», sagt sie (05:46).
Als Tochter eines Lehrers steht sie unter Beobachtung. Mit 13 ergibt sich für sie eine «Fluchtmöglichkeit»: Sie geht ans Gymnasium in Immensee (06:56). Mit einem Cilo-Töffli fährt sie täglich, am Zugersee entlang, zur Schule. Dort findet sie Freunde fürs Leben. Immensee öffnet ihr das Tor nach Luzern; der Sedel und die örtlichen Kinos prägen sie stark (09:06). In dieser Zeit entdeckt sie die Bibliothek in Zug. Bücher erschliessen ihr neue Welten (10:16). In Zug geht sie ins Kino Gotthard und ins Kino Seehof, wo Studiofilme gezeigt werden (12:09). Zusammen mit einer Schulfreundin entdeckt sie die Frauenbewegung. Am 8. März nimmt sie mehrmals an der autonomen Frauendemo teil. Weil sich diese für ein Recht auf Abtreibung starkmacht, provoziert sie die Patres am Gymnasium Immensee (13:42). 1986 folgt ein Sprachaufenthalt im spanischen Salamanca, zu einer Zeit – nach Franco – als die katholische Jugend dort im Aufbruch ist (15:34). Als sie ein Jahr später in Zürich ihr Geschichtsstudium beginnt, rückt Zug für sie komplett in den Hintergrund (16:02).
Monika Dommanns Eltern sind sehr religiös. Ihr Vater interessiert sich für Theologie und die Bibel, lebt aber einen Reform-Katholizismus. Als sie gefirmt wird, kann sie nicht mehr viel mit Religion anfangen (16:36). Die Familie besucht oft die Messe in der Kirche St. Johannes in Walchwil, zu der sich das ganze Dorf versammelt. Ihre Patin, die jüngste Schwester ihrer Mutter, ist Klosterfrau in einem Dominikanerorden in Ilanz. Bis 10, 12 ist Monika Dommann mit Inbrunst religiös (17:31). Die Lektüre von Sartre und Beauvoir lassen sie jedoch über Existenzialismus nachdenken – auch während der Gottesdienste (18:22). Ihre Eltern besuchen gern auch die Bruder-Klaus-Kirche in Oberwil bei Zug. Als Mädchen erlebt sie, wie Ferdinand Gehrs Wandmalerei in diesem Sakralbau mit Vorhängen verhüllt sind. Erst während des Studiums erfährt sie den Grund: weil die Bevölkerung dagegen war (18:43).
Ihren ersten Ferienjob tritt sie bei Landis & Gyr an: Vier Wochen lang lötet sie in der Zählerproduktion Teile zusammen (20:15). Später jobbt sie im Nordmann [heute Manor], mit 16 im Gastgewerbe – zuerst am Buffet, dann als Kellnerin im Theater Casino Zug (21:15). Bei Einsätzen an Bankettanlässen lernt sie die (vorher für sie unbekannte) Zuger Gesellschaft kennen: Zünfte, den Crystal Club und Marc Rich (21:50). Am Tag der Vertragsunterzeichnung zwischen Andreas Brunner und Stephan Schmidheiny [am 7. Dezember 1987], die den Verkauf der Landis & Gyr besiegelt, arbeitet sie als Kellnerin. Sie ist stolz, bei einem derart historischen Ereignis dabei zu sein und sieht den von Krankheit gezeichneten Andreas Brunner eine Bouillon essen (22:10). Zug kennt sie noch als Industriestandort mit Fabrikarbeit. Den Übergang zur «Dienstleistungs- und Finanzkapitalismusstadt» erlebt sie unmittelbar und das Nachdenken über diese Transformation beschäftigt sie, seit sie 14 ist (23:06).
Durch ihre Tätigkeit als Kellnerin kann sie in eine neue Rolle schlüpfen. Sie beobachtet «die alte Elite von Zug», aber auch die Neuzuzüger, die üppige Feste feiern (23:34). Sie erinnert sich an Veranstaltungen der Doron Stiftung und ist fasziniert, dem Stiftungsgründer Marc Rich und dessen Umfeld zu begegnen. Aber auch, zu sehen, wie Marc Rich sich mitten in die Zuger Gesellschaft hineinbegibt, sie sieht «wie er Zug gekauft hat» (24:40). Obwohl sie auch während des Studiums weiterhin im Theater Casino Zug arbeitet, ist für sie klar: «Weg von hier [Zug] – und zwar möglichst schnell!» (25:19)
Monika Dommann hört, dass die ehemalige Kaserne [heute: Bibliothek Zug] besetzt wurde. Sie fühlt sich angezogen von diesem ersten ihr bekannten autonomen Ort und besucht dort Konzerte (25:40). Sie sieht Leute, die Drogen konsumieren und abstürzen (26:50). Zur gleichen Zeit besucht sie auch Konzerte im Sedel und fährt dafür eine Stunde mit dem Töffli nach Luzern. Ihre Erkenntnis aus dieser Zeit: «Man kann etwas anders machen, aber man muss das Heft selbst in die Hand nehmen. Man muss nicht den Traditionen folgen, die vorgegeben sind. Es ist viel mehr möglich.» (27:12) Rückblickend betrachtet sie diese Zeit aber als sehr düster. Der Kalte Krieg löst bei den Menschen Ängste aus. Einige Personen aus ihrem Umfeld sterben an übermässigem Drogenkonsum. «Die 80er-Jahren waren hart und hatten ihren Preis», sagt sie (28:06).
Sie erinnert sich an Sprayereien in Zug: «De Heggli isch es Weggli» [in Bezug auf Walther A. Hegglin, Stadtpräsident 1978-1982] (30:55). Auch in der Innerschweiz gibt es einen autonomen Aufbruch, nicht nur in Zürich. Die dezentrale Bewegung findet mitunter in Basel, Freiburg, Bern und Luzern statt – und eben auch ein wenig in Zug. Monika Dommann möchte an dieses andere Zug erinnern, nicht nur an Zug als Zentrum der Anwaltskanzleien, der Rohstofffirmen und des Finanzkapitalismus (31:08).
Wenn Monika Dommann heute Zug besucht, geht sie über den Walchwilerberg und zeigt ihren Freunden aus der ganzen Welt die Schönheit dieser Region. Sie erzählt diesen dann aber auch, dass die Gegend sich sehr schnell verändert hat und in der Welt heute eine wichtige Rolle spielt – was viele Schattenseiten hat. Das habe bei ihr dazu geführt, dass sie die Welt sehr kritisch betrachte. Sie betrachtet es als ihre Lebensaufgabe, diese besser zu verstehen (31:56).
1988 zieht Monika Dommann nach Zürich, um an der Universität Geschichte und Ökonomie zu studieren. Parallel zum Studium jobbt sie. Sie merkt, dass sie sich an der Universität ganz wohl fühlt. Zu diesem Zeitpunkt will sie Journalistin oder Diplomatin werden – «irgendetwas, das mit der grossen Welt zu tun hat» (02:39). Professor Rudolf Braun (Sozialgeschichte) überzeugt sie, an der Uni zu bleiben (03:14). Sein Nachfolger Professor Jakob Tanner bietet ihr eine Stelle als [wissenschaftliche] Assistentin an. Während dieser Zeit schreibt sie ihre Dissertation und entscheidet sich, weiterzumachen (03:33). Es folgt das Post Doc. Sie kommt in der ganzen Welt herum und wird 2009 Professorin an der Universität Basel (04:17). In der Anfangszeit ihres Studiums fällt es ihr schwer, Kontakte zur Zürcher Bevölkerung zu knüpfen. Heute sei die Stadt für sie wie ein Dorf. Es gefällt ihr, dass ständig neue Leute nach Zürich kommen (04:34).
Monika Dommann erklärt, was man sich unter dem Job einer Professorin vorstellen muss: «Einerseits sind wir HochschullehrerInnen. Das heisst, wir bilden Leute aus», sagt sie. Den Geschichtsstudenten werde Methodik, Quellenkritik und theoretische Ansätze vermittelt. Man begleite aber natürlich auch Doktoranden von der ersten Idee bis zur Veröffentlichung des Buches einer Dissertation (05:49). Ein anderer Teil des Jobs sei die akademische Selbstverwaltung. «Eine Uni-Kultur lebt auch von Freiheit, von Freiräumen und Experimentierfreudigkeit», sagt sie. Ein weiterer Teil sei die Forschung. Dazu arbeite man mit Forschenden aus der ganzen Welt zusammen (07:15).
Die Schweiz habe Top-Universitäten, die weltweit mithalten können. Wissen und Innovation seien zwei der wichtigsten Ressourcen der Schweiz. Aber: «Wir brauchen auch helle Köpfe von aussen», sagt sie. Es werde immer wieder kritisiert, an der Universität gäbe es zu viele ausländische Professoren. Das findet sie verwerflich. Dass die Schweiz offen ist und dadurch Wissen anzapfen kann, zeichne dieses Land aus. Monika Dommann hält die Schweizer manchmal für etwas intellektuellenfeindlich. Darum bedürfe es immer wieder Erklärungsbedarf (10:23).
Sie wohnt in Zürich und verdient als Professorin über CHF 200’000.- brutto – Einkommen, das sie bewusst in der Stadt Zürich, nicht im steuergünstigeren Kanton Zug versteuert. Im Vergleich mit anderen Ländern, die sie bereist hat, funktioniere der Schweizer Staat sehr gut. «Wir müssen wieder ein Bewusstsein entwickeln, dass wir mehr zusammenstehen müssen», sagt sie, «nicht nur in der Schweiz, auch international gesehen.» Der Kanton Zürich erbringe Leistungsfunktionen, die andere Kantone mehr mittragen müssten (12:20).
Zurück nach Walchwil: Monika Dommann erinnert sich an einen reichen Neuzuzüger, der für die Beleuchtung der Kirche aufkam. «Es gibt Menschen, die diesen Ort aussuchen, weil sie gute Bedingungen vorfinden», sagt sie. «Zug wurde zu einem Hafen, bei dem Leute landen – vielleicht auch zwischenlanden –, um Geschäft zu machen.» (14:13) Niklaus Meienberg und Thomas Hürlimann hätten bereits in den 1980er-Jahren journalistisch oder literarisch verarbeitet, was in Zug vor sich geht (14:52). Für Monika Dommann ist Zug wie ein Maggi-Würfel, der in der Essenz erkennen lasse, was in der Schweiz passieren wird – seien es Entwicklungen oder Konflikte (15:21). Zug habe sich mit der Zeit mit der Steuerpolitik profiliert. Diese sei für lange Zeit ein Businessmodell gewesen. Da der Druck von aussen zu gross wurde, müsse Zug neue Geschäftsmodelle finden, um den Erfolg weiterführen zu können. Die Kehrseiten davon seien in Zug offensichtlich (16:12).
«Zug kann stolz sein, dass es Linke gab – eine kleinste Minderheit», sagt Monika Dommann. Sie erwähnt die RML [Revolutionäre Marxistische Liga], die sozialistische Alternative und die Grünalternative, die Zug immer auf die Finger schauen und zwischendurch einen Sieg erringen können (17:05). Zug beobachte sie als Ethnologin emotionslos. «Zug hat mich immer interessiert als Möglichkeit, etwas noch deutlicher zu sehen», sagt sie. Und weiter: «Zug ist ein Ort, von dem ich finde, dass man ihn verlassen muss.» Weggehen per se sei wichtig. «Für mich wäre es nie eine Alternative gewesen, nach Zug zurückzukehren», ergänzt sie (18:36).
Ihre pflegebedürftigen Eltern haben sie wieder nach Zug geführt. Es sei schwierig, hier sonntags ein offenes Restaurant zu finden. Zug sei ein Ort, dem sie jeweils nur kurz einen Besuch abstatte. Es gäbe aber auch Schönes wie zum Beispiel die Lichtinstallation von James Turrell beim Bahnhof, die Natur mit dem Zugerberg und dem Wildspitz, der Zugersee mit der Chollermüli (20:51). Zug rücke aber nicht zufällig immer wieder ins Zentrum der Welt. Dass die Stadt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin 2002 einen Friedenspreis verliehen hat, sei peinlich für Zug. Sie hält es für ein Risiko, mit allen Geschäfte zu machen (21:41).
Monika Dommann erklärt, was man sich unter dem Job einer Professorin vorstellen muss: «Einerseits sind wir HochschullehrerInnen. Das heisst, wir bilden Leute aus», sagt sie. Den Geschichtsstudenten werde Methodik, Quellenkritik und theoretische Ansätze vermittelt. Man begleite aber natürlich auch Doktoranden von der ersten Idee bis zur Veröffentlichung des Buches einer Dissertation (05:49). Ein anderer Teil des Jobs sei die akademische Selbstverwaltung. «Eine Uni-Kultur lebt auch von Freiheit, von Freiräumen und Experimentierfreudigkeit», sagt sie. Ein weiterer Teil sei die Forschung. Dazu arbeite man mit Forschenden aus der ganzen Welt zusammen (07:15).
Die Schweiz habe Top-Universitäten, die weltweit mithalten können. Wissen und Innovation seien zwei der wichtigsten Ressourcen der Schweiz. Aber: «Wir brauchen auch helle Köpfe von aussen», sagt sie. Es werde immer wieder kritisiert, an der Universität gäbe es zu viele ausländische Professoren. Das findet sie verwerflich. Dass die Schweiz offen ist und dadurch Wissen anzapfen kann, zeichne dieses Land aus. Monika Dommann hält die Schweizer manchmal für etwas intellektuellenfeindlich. Darum bedürfe es immer wieder Erklärungsbedarf (10:23).
Sie wohnt in Zürich und verdient als Professorin über CHF 200’000.- brutto – Einkommen, das sie bewusst in der Stadt Zürich, nicht im steuergünstigeren Kanton Zug versteuert. Im Vergleich mit anderen Ländern, die sie bereist hat, funktioniere der Schweizer Staat sehr gut. «Wir müssen wieder ein Bewusstsein entwickeln, dass wir mehr zusammenstehen müssen», sagt sie, «nicht nur in der Schweiz, auch international gesehen.» Der Kanton Zürich erbringe Leistungsfunktionen, die andere Kantone mehr mittragen müssten (12:20).
Zurück nach Walchwil: Monika Dommann erinnert sich an einen reichen Neuzuzüger, der für die Beleuchtung der Kirche aufkam. «Es gibt Menschen, die diesen Ort aussuchen, weil sie gute Bedingungen vorfinden», sagt sie. «Zug wurde zu einem Hafen, bei dem Leute landen – vielleicht auch zwischenlanden –, um Geschäft zu machen.» (14:13) Niklaus Meienberg und Thomas Hürlimann hätten bereits in den 1980er-Jahren journalistisch oder literarisch verarbeitet, was in Zug vor sich geht (14:52). Für Monika Dommann ist Zug wie ein Maggi-Würfel, der in der Essenz erkennen lasse, was in der Schweiz passieren wird – seien es Entwicklungen oder Konflikte (15:21). Zug habe sich mit der Zeit mit der Steuerpolitik profiliert. Diese sei für lange Zeit ein Businessmodell gewesen. Da der Druck von aussen zu gross wurde, müsse Zug neue Geschäftsmodelle finden, um den Erfolg weiterführen zu können. Die Kehrseiten davon seien in Zug offensichtlich (16:12).
«Zug kann stolz sein, dass es Linke gab – eine kleinste Minderheit», sagt Monika Dommann. Sie erwähnt die RML [Revolutionäre Marxistische Liga], die sozialistische Alternative und die Grünalternative, die Zug immer auf die Finger schauen und zwischendurch einen Sieg erringen können (17:05). Zug beobachte sie als Ethnologin emotionslos. «Zug hat mich immer interessiert als Möglichkeit, etwas noch deutlicher zu sehen», sagt sie. Und weiter: «Zug ist ein Ort, von dem ich finde, dass man ihn verlassen muss.» Weggehen per se sei wichtig. «Für mich wäre es nie eine Alternative gewesen, nach Zug zurückzukehren», ergänzt sie (18:36).
Ihre pflegebedürftigen Eltern haben sie wieder nach Zug geführt. Es sei schwierig, hier sonntags ein offenes Restaurant zu finden. Zug sei ein Ort, dem sie jeweils nur kurz einen Besuch abstatte. Es gäbe aber auch Schönes wie zum Beispiel die Lichtinstallation von James Turrell beim Bahnhof, die Natur mit dem Zugerberg und dem Wildspitz, der Zugersee mit der Chollermüli (20:51). Zug rücke aber nicht zufällig immer wieder ins Zentrum der Welt. Dass die Stadt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin 2002 einen Friedenspreis verliehen hat, sei peinlich für Zug. Sie hält es für ein Risiko, mit allen Geschäfte zu machen (21:41).
Anfang 2020, kurz vor der Corona-Pandemie, treten Vertreter der römisch-katholischen Kirche mit Monika Dommann und Marietta Meier, Titularprofessorin der Universität Zürich, in Kontakt. Beide werden für eine historische Studie angefragt, um den sexuellen Missbrauch im Umfeld der römisch-katholischen Kirche [seit Mitte des 20. Jahrhunderts] zu erforschen. Offene Fragen werden abgewogen und Bedingungen ausformuliert, etwa absolute Forschungsfreiheit und freier Aktenzugang. Im internationalen Vergleich war die Katholische Kirche der Schweiz damit «sehr spät» dran, wie Monika Dommann sagt. Rückblickend habe das aber auch Vorteile: In der Schweiz haben sich alle Player als gemeinsame Auftraggeber – die Ordensgemeinschaften, die Bischofskonferenz und auch die RKZ [Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz] – zusammengeschlossen (02:02).
Nach langen Verhandlungen werden schliesslich Verträge für eine dreisprachige Studie unterschrieben. Diese Verträge werden veröffentlicht (03:04). «Die Universität kann auch ein Raum sein, der Forschung dieser Art schützen kann», sagt sie, «wir waren nicht darauf angewiesen, diesen Job anzunehmen – im Unterschied zu freiberuflichen Historikerinnen und Historikern.» (03:37) Am 12. September 2023 wird der erste Bericht zur zwölfmonatigen Pilotstudie veröffentlicht. Monika Dommann vergleicht diesen einschlagenden Moment mit der Veröffentlichung der Spotlight-Studie der US-Zeitung Boston Globe 2002. Vorher werden mit den Auftraggeberinnen drei weitere Jahre Forschung vereinbart (04:32).
Monika Dommann zeigt auf, wie das Vorgehen der Forschung in diesem Fall konkret aussieht: Erst wird abgeklärt, welche Archive, Akten und Quellen existieren. So habe man Zugang bekommen zu den bischöflichen Geheimarchiven mit Personaldossiers (05:53). In einigen Bistümern (etwa in Chur, St. Gallen und Basel) finde sich eine sehr gute Aktenlage vor, in anderen eine sehr schlechte (etwa in Lugano). Die Aktenvernichtung im Tessin kann nachgewiesen werden (07:24). Eine grosse Datenbank entsteht, die zu einem Wiki, einer neuen Art von Datenbank, erweitert wird. Letztere zeigt die Verbindungen zwischen einzelnen Bistümern und verschiedenen Personen, die involviert sind (08:00).
Interviews mit Betroffenen sind ein zentraler Bestandteil der Studie, die von einem kleinen, mehrsprachigen Team betreut wird (08:41). Akzente werden bei den Orden gesetzt, bei Missionsgesellschaften und beim Zusammenspiel zwischen Staat und Kirche (10:12). «Wir können nur deshalb forschen, weil gewisse Menschen dieses Thema öffentlich gemacht haben; das sind Betroffene, Betroffenenorganisationen und Journalistinnen und Journalisten», sagt sie (11:39). Durch die grosse Resonanz der Studie kann der Gesellschaft aufgezeigt werden, mit welcher Methode Historiker arbeiten – im Unterschied zu Juristinnen oder Psychologen (12:39).
Universitätsinterne Spezialisten, darunter ein Team von Trauma-Forschenden, unterstützt die Mitarbeiter der Universität, die für diese Studie tätig sind. Supervision ist mittlerweile fixer Bestandteil des Budgets (13:43). Zusammen mit ihrer Studienkollegin Marietta Meier bringt Monika Dommann das Thema in die Lehre ein. Inzwischen nehmen sich Studierende zu Untersuchungen weiterführenden Arbeiten an (15:22).
Die Studie sorgt international für Furore. Das habe mit Medienlogik zu tun, sagt Monika Dommann. Über Katholische Kirche und sexuellen Missbrauch würden Medien gerne berichten. «Uns aber lag es nie an Skandalisierung. Wir wollen durch Forschung mehr herausfinden», sagt sie (16:30). Im Ausland wird wahrgenommen, dass die römisch-katholische Kirche der Schweiz einen neuen Weg geht und durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen einen integraleren Blick zulässt. Es gehe darum, Forschung voranzubringen (17:23).
Auch die reformierte Kirche der Schweiz erwägt, eine Studie in Auftrag zu geben. Dazu steht sie mit Monika Dommann und Marietta Meier im Austausch. Erst aber müsse die Frage geklärt werden, warum diese Studie überhaupt angegangen werden will. Eine Studie zu machen, damit sie gemacht ist, um sagen zu können: «Wir sind jetzt fein raus» – das sei sehr billig und zum Scheitern verurteilt, sagt sie (19:35).
In einem nächsten Schritt wird Zugang zum Archiv im Vatikan gefordert – für die Schweizer Studie, aber auch für internationale Studien. Es finden beratende Gespräche statt, um abzuklären, wie die Gesuche aussehen müssen, damit sie überhaupt eine Chance auf Erfolg haben (22:23). Auch an Bistümer, in denen nachweislich Akten vernichtet worden sind, werden Gesuche gestellt. Diese werden in Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat in Bern verfasst. «Marietta Meier und ich sind zurückhaltend im Auftreten, aber hartnäckig im Vorgehen», sagt Monika Dommann (23:18).
Geschlecht spiele bei Forschung immer eine Rolle. Ihr sei bewusst, dass sie in diesem Fall als Frau eine Männerdomäne betrete – gleichwohl ihr das Thema vertraut sei. Aber man müsse sehen, dass die Katholische Kirche nicht nur aus Männern bestehe; ein sehr aktiver Teil sei weiblich, besonders in der RKZ (24:38).
Die veröffentlichte Pilotstudie führe bisher zu grösstenteils positiven Reaktionen aus der Bevölkerung. Aber auch negative Schreiben gelangten an die Universität. So unterstelle man der Studie Blasphemie. Ihr Ziel sei es, die Leute mit wissenschaftlichen Argumenten zu überzeugen: «Alles, was wir behaupten, müssen wir beweisen können», betont Monika Dommann (27:13).
Man könne über alle Themen forschen, auch wenn der biographische Hintergrund fehlt, sagt Monika Dommann. Gleichzeitig helfe eine kulturelle Prägung, in ihrem Fall die Wurzeln in der katholischen Innerschweiz: So verstehe sie gewisse Codes – auch Unausgesprochenes (29:48). Interessant findet sie, dass die Welt, gegen die sie sich als junger Mensch auflehnte, verschwunden ist: Die Kirchen sind nicht mehr voll wie damals in Walchwil. Gesellschaftliche Prozesse führten zur Säkularisierung. Das habe nicht primär mit Skandalen zu tun. Kirche müsse sich in einer neuen Welt anpassen (30:57).
Ihr Vater sei krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage gewesen, Inhalt und Zweck der Studie zu verstehen. Ihre Mutter zeige nach anfänglichem Desinteresse durchaus Stolz. Durch die Studie werde ihre und die Arbeit der Universität Zürich auch in der Innerschweiz wahrgenommen. «Ich glaube, auch meine Patin, die Dominikanerin in einem Orden in Ilanz war – einem Orden, der mit dem Bischof von Chur gewisse Kämpfe ausgetragen hat –, wäre stolz», sagt Monika Dommann (33:06).
Nach langen Verhandlungen werden schliesslich Verträge für eine dreisprachige Studie unterschrieben. Diese Verträge werden veröffentlicht (03:04). «Die Universität kann auch ein Raum sein, der Forschung dieser Art schützen kann», sagt sie, «wir waren nicht darauf angewiesen, diesen Job anzunehmen – im Unterschied zu freiberuflichen Historikerinnen und Historikern.» (03:37) Am 12. September 2023 wird der erste Bericht zur zwölfmonatigen Pilotstudie veröffentlicht. Monika Dommann vergleicht diesen einschlagenden Moment mit der Veröffentlichung der Spotlight-Studie der US-Zeitung Boston Globe 2002. Vorher werden mit den Auftraggeberinnen drei weitere Jahre Forschung vereinbart (04:32).
Monika Dommann zeigt auf, wie das Vorgehen der Forschung in diesem Fall konkret aussieht: Erst wird abgeklärt, welche Archive, Akten und Quellen existieren. So habe man Zugang bekommen zu den bischöflichen Geheimarchiven mit Personaldossiers (05:53). In einigen Bistümern (etwa in Chur, St. Gallen und Basel) finde sich eine sehr gute Aktenlage vor, in anderen eine sehr schlechte (etwa in Lugano). Die Aktenvernichtung im Tessin kann nachgewiesen werden (07:24). Eine grosse Datenbank entsteht, die zu einem Wiki, einer neuen Art von Datenbank, erweitert wird. Letztere zeigt die Verbindungen zwischen einzelnen Bistümern und verschiedenen Personen, die involviert sind (08:00).
Interviews mit Betroffenen sind ein zentraler Bestandteil der Studie, die von einem kleinen, mehrsprachigen Team betreut wird (08:41). Akzente werden bei den Orden gesetzt, bei Missionsgesellschaften und beim Zusammenspiel zwischen Staat und Kirche (10:12). «Wir können nur deshalb forschen, weil gewisse Menschen dieses Thema öffentlich gemacht haben; das sind Betroffene, Betroffenenorganisationen und Journalistinnen und Journalisten», sagt sie (11:39). Durch die grosse Resonanz der Studie kann der Gesellschaft aufgezeigt werden, mit welcher Methode Historiker arbeiten – im Unterschied zu Juristinnen oder Psychologen (12:39).
Universitätsinterne Spezialisten, darunter ein Team von Trauma-Forschenden, unterstützt die Mitarbeiter der Universität, die für diese Studie tätig sind. Supervision ist mittlerweile fixer Bestandteil des Budgets (13:43). Zusammen mit ihrer Studienkollegin Marietta Meier bringt Monika Dommann das Thema in die Lehre ein. Inzwischen nehmen sich Studierende zu Untersuchungen weiterführenden Arbeiten an (15:22).
Die Studie sorgt international für Furore. Das habe mit Medienlogik zu tun, sagt Monika Dommann. Über Katholische Kirche und sexuellen Missbrauch würden Medien gerne berichten. «Uns aber lag es nie an Skandalisierung. Wir wollen durch Forschung mehr herausfinden», sagt sie (16:30). Im Ausland wird wahrgenommen, dass die römisch-katholische Kirche der Schweiz einen neuen Weg geht und durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen einen integraleren Blick zulässt. Es gehe darum, Forschung voranzubringen (17:23).
Auch die reformierte Kirche der Schweiz erwägt, eine Studie in Auftrag zu geben. Dazu steht sie mit Monika Dommann und Marietta Meier im Austausch. Erst aber müsse die Frage geklärt werden, warum diese Studie überhaupt angegangen werden will. Eine Studie zu machen, damit sie gemacht ist, um sagen zu können: «Wir sind jetzt fein raus» – das sei sehr billig und zum Scheitern verurteilt, sagt sie (19:35).
In einem nächsten Schritt wird Zugang zum Archiv im Vatikan gefordert – für die Schweizer Studie, aber auch für internationale Studien. Es finden beratende Gespräche statt, um abzuklären, wie die Gesuche aussehen müssen, damit sie überhaupt eine Chance auf Erfolg haben (22:23). Auch an Bistümer, in denen nachweislich Akten vernichtet worden sind, werden Gesuche gestellt. Diese werden in Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat in Bern verfasst. «Marietta Meier und ich sind zurückhaltend im Auftreten, aber hartnäckig im Vorgehen», sagt Monika Dommann (23:18).
Geschlecht spiele bei Forschung immer eine Rolle. Ihr sei bewusst, dass sie in diesem Fall als Frau eine Männerdomäne betrete – gleichwohl ihr das Thema vertraut sei. Aber man müsse sehen, dass die Katholische Kirche nicht nur aus Männern bestehe; ein sehr aktiver Teil sei weiblich, besonders in der RKZ (24:38).
Die veröffentlichte Pilotstudie führe bisher zu grösstenteils positiven Reaktionen aus der Bevölkerung. Aber auch negative Schreiben gelangten an die Universität. So unterstelle man der Studie Blasphemie. Ihr Ziel sei es, die Leute mit wissenschaftlichen Argumenten zu überzeugen: «Alles, was wir behaupten, müssen wir beweisen können», betont Monika Dommann (27:13).
Man könne über alle Themen forschen, auch wenn der biographische Hintergrund fehlt, sagt Monika Dommann. Gleichzeitig helfe eine kulturelle Prägung, in ihrem Fall die Wurzeln in der katholischen Innerschweiz: So verstehe sie gewisse Codes – auch Unausgesprochenes (29:48). Interessant findet sie, dass die Welt, gegen die sie sich als junger Mensch auflehnte, verschwunden ist: Die Kirchen sind nicht mehr voll wie damals in Walchwil. Gesellschaftliche Prozesse führten zur Säkularisierung. Das habe nicht primär mit Skandalen zu tun. Kirche müsse sich in einer neuen Welt anpassen (30:57).
Ihr Vater sei krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage gewesen, Inhalt und Zweck der Studie zu verstehen. Ihre Mutter zeige nach anfänglichem Desinteresse durchaus Stolz. Durch die Studie werde ihre und die Arbeit der Universität Zürich auch in der Innerschweiz wahrgenommen. «Ich glaube, auch meine Patin, die Dominikanerin in einem Orden in Ilanz war – einem Orden, der mit dem Bischof von Chur gewisse Kämpfe ausgetragen hat –, wäre stolz», sagt Monika Dommann (33:06).
Weiterführender Link
- Kaserne Zug (ZentralPlus, 13. Dezember 2019)
- Kaserne Zug (Geschäftsprüfungskommission GGR, Stadt Zug, 17. Juni 1981)
- Niklaus Meienberg (ZentralPlus, 16. August 2016)
- Friedenspreis für Putin (NZZ, 12. Oktober 2002)
- Pilotprojekt zur Geschichte sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts
- sexueller Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche (UZH News)
- Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs (kath.ch)
Aufnahmedatum: 22. März 2024 an der Universität in Zürich
Redaktion, Interview und Ton: Remo Hegglin
Kamera: Martin Fähndrich
Postproduktion: Remo Hegglin
Foto: Alexandra Wey
Lektorat: Daniel Godeck
Dieser Beitrag wurde finanziell unterstützt durch: Stiftung Doku-Zug