Margrit und August P. Villiger-Wyss

Ehemaliges Intendantenpaar des Theater Casino Zug

 

Teil 4

Zu den Personen

August P. Villiger (* 20. April 1943, † 29. Januar 2020) und seine Frau Margrit Villiger-Wyss (* 25. Februar 1947) waren als langjähriges Intendantenpaar des Theaters Casino Zug (1979-2009) bekannt. Ihre APV Produktion AG produzierte viele Schweizer Musik-, Märchen- und Cabaret-Tonaufzeichnungen. Margrit Villiger machte ihre Lehre bei Schallplatten Moos in Zug und leitete das Grammo Studio Zug. August P. Villiger war langjähriger Leiter der Musikgesellschaft Risch-Rotkreuz und mehrerer Militärspiele.

Inhalt Teil 1: Margrit Villiger-Wyss


Margrit Villiger wächst mit drei Geschwistern in Hünenberg im Haus der damaligen Bäckerei Schwerzmann auf (04:06). Nach der Lehre bei Schallplatten Moos – sie erlebt den Übergang von zerbrechlichen Schallplatten zu Vinylplatten – wechselt Margrit Villiger zum Musikhaus Jecklin in Zürich. Während dieser Zeit stirbt Walti Moos, ihr einstiger Arbeitgeber. Für die kommenden vier Jahre arbeitet Margrit Villiger unterstützend wieder bei Schallplatten Moos, bevor sie ein Angebot von Ex Libris erhält und den Job erneut wechselt.



Schallplatten Moos wird durch die Grammo Studio AG aus Zürich aufgekauft. Margrit Villiger übernimmt die Zuger Filiale (10:07). 1968 wird zum ersten Mal die Schweizer Single-Hitparade veröffentlicht. Die 68er haben Einfluss auf Mode und Musikgeschmack. Die Kundschaft im Schallplattengeschäft verändert sich.

Schon während ihrer Lehrzeit lernt Margrit Villiger Gusti kennen. Während sie Geschäftsführerin der Grammo Studio Zug ist, gibt Gusti Villiger seinen Job bei CBS Records auf und gründet eine eigene Firma, die APV Produktion AG (20:40). Margrit Villiger stösst etwas später als Mitarbeiterin dazu. Gusti Villiger kümmert sich um die Künstler und Tonaufnahmen, Margrit Villiger nimmt sich der Administration an. 1978 heiraten die beiden.

Vier Jahre nach der Gründung der eigenen Firma wird Gusti Villiger angefragt, ein Programm für das Theater Casino Zug zusammenzustellen (26:14). Er schlägt vor, eine Versuchsreihe zu planen – und er hat Erfolg. Margrit Villiger resümiert: «Wir hatten eine gute Zeit, damals als wir es gemacht haben.»

Inhalt Teil 2: Gusti Villiger (1)


August (Gusti) P. Villiger ist stolz auf seinen Vater, der auch August Villiger hiess. August Villiger senior ist in Zug aufgewachsen und war bekannt für seine Volksmusik-Stubeten im ehemaligen Restaurant «Du Nord» an der Neugasse. Er war Stadtorganist und hatte drei Konzertdiplome (Klarinette, Klavier und Orgel). August Villiger senior kümmerte sich um den Aufbau der Stadtzuger Musikschule. Zu jener Zeit gibt es zwei Lehrer an der Musikschule: August Villiger senior, der sämtliche Blasinstrumente unterrichtet und Lehrer Iten (alias Giigeli-Ite), der Geige unterrichtet.



Gusti Villigers Mutter macht im Restaurant «Du Nord» ein Haushaltslehrjahr (04:47). So lernen sich Villigers Eltern kennen. Damit sie heiraten können, muss die Mutter erst zum katholischen Glauben konvertieren. Gusti Villiger bewundert die Musikalität seines Vaters und wird von ihm stark geprägt. Der Vater stirbt 1971 in der Nacht, als Villiger sein erstes Konzert von Miles Davis in Zürich veranstaltet. Die Aufnahmen dieses Konzertes werden 2015 veröffentlicht.

Die Kantonsschule bricht Gusti Villiger nach drei Jahren ab, weil er sich mehr für Technisches und Praktisches interessiert (12:19). Er macht bei Landis & Gyr eine Lehre als Elektroniker, die er mit der Note 1,1 abschliesst. Nach der Rekrutenschule in Bern findet er Arbeit bei der Micafil Isoliertechnik AG in Oerlikon. Während dieser Zeit beginnt er sein Studium am Konservatorium.

Gusti Villiger und seine spätere Ehefrau Margrit verfassen einen Brief, den sie allen bekannten Musikorganisationen der Schweiz zustellen (17:01). Darin präsentiert sich Villiger als junger Musiker mit technischer Ausbildung und bietet sich als Musikproduzent an. Er wird bei der CBS (Columbia Broadcasting System) angestellt. Eine seiner ersten Produktionen, auf die er noch heute stolz ist, ist die Langspielplatte «Cello-Ballade» mit Franz Hohler (21:43). Die Erfahrungen und Erkenntnisse, die Gusti Villiger bei CBS sammelt, helfen ihm und Margrit Villiger bei der Gründung und dem Aufbau einer eigenen Produktionsfirma.

Inhalt Teil 3: Gusti Villiger (2)


August P. Villiger absolviert die Rekrutenschule in Bern im Militärspiel. Er spielt Klarinette und Saxophon. Früh kann er als Korporal die Leitung des Bataillonsspiel 109 übernehmen und nimmt Dixieland ins Repertoire auf; das Publikum freut es, Armee-Musikinstruktor Fridolin Bünter hat Mühe damit (02:36). Mit dem Spiel des Infanterie-Regimentes 29 studiert er «Grüezi wohl, Frau Stirnimaa» mitsamt Gesang ein und landet damit auf der Titelseite des Blicks. Seine Vorgesetzten finden: «Ein Militärspiel singt einfach nicht!». Gusti Villiger trägt schulterlanges Haar und schneidet sie auch im Militärdienst nicht ab; als CBS-Musikproduzent gehört diese Erscheinung zum Beruf (04:11).




Nach einem Streit verlässt 1967 die Hälfte der Mitglieder die Musikgesellschaft Risch-Rotkreuz (MGRR) und gründet den Musikverein Rotkreuz (09:53). Die Jungen bleiben in der MGRR. Gusti Villiger übernimmt die MGRR und setzt neben klassischer Blasmusik auch auf Unterhaltungsmusik.

Die 68er haben keinen grossen Einfluss auf die Musikproduktionen in Europa. Gusti Villiger interessiert sich sehr für Politik, bleibt berufsbedingt aber zurückhaltend. Mit Heino Orbini, alias «Gusti Brösmeli» nimmt die APV Produktion AG Witze auf (16:18). Sie verkaufen sich von allen Aufzeichnungen am besten. Es folgt ein Witztelefon mit fünf Telefonbeantwortern – bei der Einführung bricht das Telefonnetz in der Umgebung zusammen.

Die APV Produktion hat viel Erfolg. Einerseits mit Gust Brösmeli, andererseits mit der Produktion der ersten schweizerdeutschen Märchen für das Europa-Label (20:20). Bekannte Schweizer Schauspielerinnen und Schauspieler wie Ursula Schaeppi, Walter Andreas Müller und der Zuger Walo Lüönd sprechen. Es entsteht eine Reihe mit ca. 40 Märchenproduktionen. Gusti Villiger sucht einen Märchenerzähler mit neutralem Dialekt und findet Toni Vescoli, der bei ihm unter Vertrag ist (21:23).

Gusti Villiger wird von Jost Grob, dem Präsidenten der Theater und Musikgesellschaft Zug (TMGZ), angefragt, ein Programm für das Theater Casino Zug zu gestalten. Im renovierten «alten Casino» startet Gusti Villiger ein Versuchsbetrieb. Er macht mit der TMGZ einen Vertrag unter der Bedingung, dass die Struktur im Theater Casino Zug professionalisiert wird (25:23).

Inhalt Teil 4: Margrit und Gusti Villiger (1)


Das Musikbusiness verändert sich immer mehr. Margrit und Gusti Villiger übernehmen das Theater Casino Zug deshalb gerne. Dass sie eigene Zulieferer wie Grafiker und Drucker mitbringen, kommt nicht überall gut an. Das Theater Casino soll Dorfzentrum für alle sein. Deshalb muss es überregionale Ausstrahlung haben (4:00). Roland Baumann kommt vom Stadttheater Luzern und wird später technischer Leiter.

Die Theater und Musikgesellschaft inszeniert 1982, im ersten Jahr nach der Wiedereröffnung des Theaters Casino Zug, das Theaterstück «Kolin & Co», bei dem sich über 300 Zuger beteiligen (06:29). Das Stück ist ein grosser Erfolg, auch dank der Techniker, die von Lichtdesigner Rolf Derrer lernen können.



Villigers setzen auf engagierte Produktionen (08:42): Japanisches Butoh-Tanztheater mit Carlotta Ikeda, das bekannte Tanzensemble «Rosas» mit Anne Teresa De Keersmaeker und 1996 die Uraufführung von «Les Enfants Terribles» von Philip Glass. Zum «Skandal» wird die Nichtaufführung eines Stückes von Manfred Züfle (10:39) Für Kinder gibt es Eigenproduktionen wie «Die kleine Hexe» und Produktionen mit Armon Caviezel (Animation für Schulmusik des Kantons Zug). Zur Tradition werden zudem Aufführungen der Zürcher Märchenbühne. Heinz Hertach von der Zuger Kulturstiftung Landis & Gyr ermöglicht immer wieder aussergewöhnliche Aufführungen (15:00).

Im Theater Casino Zug finden ursprünglich auch viele Fastnachtsbälle statt: Einerball, Harmonieball, Stadtmusikball, Touille-Fäscht (18:16). Diese sind alle verschwunden. Auch Operetten-Aufführungen sind in Zug problematisch. Das Problem ist nicht das Geld, sondern die mangelnde Bereitschaft der Leute, sich soziokulturell zu engagieren (21:53).

Gusti Villiger beschliesst, das 200-jährige Jubiläum der Theater und Musikgesellschaft (2008) als Anlass zum Aufhören zu nehmen (22:25). Er will selbst bestimmen, wann Schluss ist. Margrit Villiger kämpft sehr mit diesem Gedanken.
Als Teil des Jubiläums wird die Musical-Oper «Nikki» aufgeführt (Libretto: Rudolf Straub | Musik: Carl und Tobias Rütti), das Bühnenbild gestaltet Dani Christen. Es ist Gusti Villiger immer wichtig, etwas von und mit Zugern zu machen und weltoffen zu sein (25:52). Die Verabschiedung von Margrit und Gusti Villiger ist einer der schönsten Abende für Gusti Villiger(26:26). Etwa einmal im Jahr kommen ihm die Tränen, dann nämlich, wenn Bühne und Publikum in der gleichen Schwingung und eine Einheit sind. «Es lohnt sich deshalb, für Kultur und Kunst zu arbeiten», ist sein Fazit.

Inhalt Teil 5: Margrit und Gusti Villiger (2)


Villigers erleben viele Geschichten mit ihren Gästen im Theater Casino Zug. Philip Glass komponiert im Hotel Ochsen (00:08), Willy Leiser vermittelt Miriam Makeba, die im Restaurant ein Ständchen gibt (02:21). Miles Davis bekommt von Gusti Villiger ein Glas heisse Milch, Gusti von ihm eine Zeichnung (06:12). Swjatoslaw Richter lässt aus Paris sechs Konzertflügel nach Zug bringen (10:29). John Lewis vom legendären Modern Jazz Quartet erfährt schon in New York, dass man in Zug nach dem Konzert essen geht (13:16). Andrei Gawrilow sagt sein Klavierrecital vier Stunden vor Auftritt ab, Konstantin Scherbakov springt ein (14:17).



Gusti Villiger lädt auch Künstler ein, im Theater Casino zu Proben. Mummenschanz kommt, Marco Rima und Marco Schneider studieren in der Sommerpause das Musical «Keep Cool» ein.

Trudi Gerster produziert die Kinderreihe «Esther und Keshava» mit Tochter Esther und deren Mann (17:41). Das Tanzpaar tritt auch im Theater Casino Zug auf. Gusti ist beeindruckt von Trudi Gersters erzählerischem Talent.

Stolz sind Margrit und Gusti Villigers auf Grossprojekte wie «Megadrums» mit Reinhard Flatischler (19:32). «Megadrums» probt im Theater Casino Zug das erste Mal 1990 (Premiere 3. März 1990, Megadrums Tour 90). Die wegen trockener Luft gespaltenen indonesischen Perkussionsinstrumente werden mit Villigers Luftbefeuchtern repariert. Ein weiteres Projekt ist «Kodo» (21:45). Die japanischen Trommler kommen regelmässig nach Zug, bis die Gage zu hoch wird. Trotzdem spielen sie später auf eigenen Wunsch nochmals im Theater Casino – für die gleiche Gage wie beim ersten Auftritt.

Fundstücke

 Augst P. Villiger in der internaltionalen Musikdatenbank «Discogs»

«Kolin & Co» im Karussell-Beitrag des Schweizer Fernsehens vom 28.4.1982


Aufnahmedatum: 16. Februar 2018
Aufnahmeort: Zug
Interview: Beat Holdener
Redaktion: Remo Hegglin, Max Pfeffer
Kamera und Ton: Remo Hegglin
Postproduktion: Max Pfeffer


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